Hochauflösende Reflexionsseismik mit Scher- (SH) Wellen

Seismische Signale sind durch zwei Typen von Raumwellen gekennzeichnet. Die Kompressions- oder P-Welle, gefolgt von den beiden später eintreffenden S-Wellenkomponenten, die sich radial als SV- bzw. transversal als SH-Anteile ausbreiten. Alle werden registriert , während sie auf ihrem Weg durch den Untergrund an den Grenzschichten refraktiert bzw. reflektiert worden sind. Zusätzlich werden Oberflächenwellen aufgezeichnet sowie unterschiedliche Störsignale, die durch die seismische Quelle oder das Umgebungsrauschen hervorgerufen werden. Sie alle bestimmen das Abbild des Seismogramms einer Einzelaufnahme, indem sie die zu interpretierenden seismischen Daten mehr oder weniger überlagern.

Anwendungen / Erkundungsziele

Der S-Wellenseismik wird ein weites Feld von zusätzlichen Anwendungen im flachseismischen Tiefenbereich zugänglich. Folgende spezielle Erkundungen können vorgenommen werden:

  • Geringmächtige Wechsellagerungen in Grundwasserleitern

  • Hohlräume und Störungen

  • Fundamente

S-Wellentypen: SH / SV

Die S-Welle ist durch Partikelbewegungen charakterisiert, die sich in Oberflächennähe auf zwei senkrecht zur Ausbreitungsrichtung stehenden Schwingungsebenen verteilen. Ihr vertikaler Anteil wird als SV-Welle bezeichnet, der horizontal schwingende als SH-Welle. Dieser horizontal polarisierte Wellentyp führt somit eine parallel zur Erdoberfläche verlaufende Partikelbewegung aus. Die SH-Welle hat zudem den Vorteil, dass sie an Grenzflächen weitgehend stabil bleibt, d.h. weniger zu Wellenkonversionen neigt als andere Transversalwellen.

Scherwellenquelle

Zur Anregung seismischer Scherwellen werden Quellen nach dem Vibroseis-Prinzip eingesetzt. Sie erzeugen Schwingungsmuster bestimmter Länge in einem vorgegebenen Frequenzbereich, Sweeps genannt.

Scherwellengeophone

Die Registrierung erfolgt durch spezielle Geophone die der Ausbreitungscharakteristik der Scherwellen angepasst sind. Dies führt zu einer gewissen Unterdrückung hier unerwünschter P-Wellen. Zusätzliche Maßnahmen an den Quellen verringern das Auftreten von Oberflächenwellen.

Auflösungsvermögen

Das Auflösungsvermögen der reflektierten seismischen Welle ist allgemein der Gradmesser, der angibt, mit welcher Genauigkeit die Messung bestimmte Bodenschichten unterscheiden kann. Seine Qualität wird zum einen durch die in der Schicht herrschenden akustischen Impedanzen des Wellensignals bestimmt, zum anderen ist es abhängig von seinem Signalgehalt, den auftretenden materialspezifischen Geschwindigkeiten und dem Störpegel, unter dem die Aufnahme erfolgte.

Die Auflösung oder besser gesagt, die vertikale Auflösung, ergibt sich daraus, inwieweit ein vertikal einfallendes Reflexionssignal gerade noch oberhalb des allgemeinen Störpegels erkennbar bleibt. Betrachtet wird also die geringmächtigste darzustellende seismische Schicht als Auflösungskriterium. Alle Erfahrungen gehen dahin, der kleinsten zu differenzierenden Schichtdicke eine Auflösung gemäß 1/4 bis 1/8 der Wellenlänge des reflektierten Wavelets zuzuordnen.

Wie sind die P/S-Verhältnisse im Lockergestein?

Welche verbesserten Einsatzmöglichkeiten sind von der S-Welle zu erwarten? Im Festgestein beträgt die S-Wellengeschwindigkeit meist etwa die Hälfte derjenigen der P-Welle. Da aber auch die mittlere Signalfrequenz nur der halben vorherrschenden Frequenz der P-Welle entspricht, ist hier keine bedeutend verbesserte Auflösung zu erwarten.

Die folgende Tabelle erlaubt den Vergleich der P- und S-Wellengeschwindigkeiten im Lockergestein:

 

Tabelle: P- und S-Wellengeschwindigkeiten in Böden und Gesteinen

Material |||vs in [m/s]||vp in [m/s]
Wasser||| -||1430 - 1590
Auffüllung|||50 - 150|| 180 - 300
Sand (trocken) ||| 100 - 500|| 100 - 600
Sand (feucht) ||| 100 - 500|| 200 - 2000
Lehm||| 440 - 1080|| 500 - 1900
Ton ||| 110 - 1500||1200 - 2800
Kies (trocken)||| 320 - 700|| 600 - 1400
Moräne (glazial)||| 900 - 1300||1500 - 2700
Mergel||| 400 - 2600||1200 - 4700
Sandstein||| 320 - 2700||800 - 4500
Kalkstein|||1800 - 3800||2000 - 6250
Tonstein||| 420 - 800||2200 - 4200

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit (vs) der S-Welle liegt teilweise um etliches unterhalb der P-Wellengeschwindigkeit (vp).

Betrachtet man die Amplitudenspektren von gemessenen P- bzw. S-Wellenreflexionen, so ergibt sich folgende Situation: Während in der P-Welle eine Frequenzbereich von 60 bis 350 Hz mit einer Mittenfrequenz von 180 Hz vertreten ist, umfasst der Frequenzinhalt der S-Welle 40 bis 200 Hz mit einer dominanten Mittenfrequenz von 100 Hz (Bild 1).

Für den Fall, dass die Scherwellengeschwindigkeit vs sehr viel niedriger ist als vp/2 zeigen Messungen, dass das gegenüber der P-Welle zu erzielende Auflösungsvermögen der S-Welle auch dann noch um einiges größer ist, selbst wenn die S-Welle die zu erwartende niedrigere Signalfrequenzbreite aufweist.

Bild 1: Amplitudenspektren von S- und P-Wellen-Reflexionen

In Lockermaterial lässt der Einsatz der SH-Welle aufgrund der dort wesentlich niedrigeren Ausbreitungsgeschwindigkeit eine erheblich höhere Auflösung gegenüber der P-Welle erwarten.

Sei die Geschwindigkeit innerhalb eines wassergesättigten Bodens vp = 1580 m/sec mit einer vorherrschenden Frequenz von 200 Hz, und die maximal aufzulösende Schichtmächtigkeit betrage 1 bis 2 m. Ist nunmehr die Mittenfrequenz der S-Welle nicht mehr als 100 Hz und breitet sich diese in Lockermaterial mit 150 m/sec aus, kann dennoch mit einer maximal aufzulösenden Schichtmächtigkeit von weniger als 0.5 m gerechnet werden (Bild 2).Damit wird bei der S-Welle eine Verfeinerung der Schichtenauflösung um das Dreifache gegenüber der P-Wellenanwendung erzielt!

Ergebnisse mit recht guter Auflösung zeigen die Bilder 3 bis 5.

Bild 2 : Vergleich der Auflösung von P- und S-Wellensignalen aus Felduntersuchungen

Bild 3 : SH-Wellenseismik - Einzelaufnahme

Bild 4 : SH-Wellenseismik - Stapelsektion 1

Bild 5: SH-Wellenseismik - Stapelsektion 2

Zur Interpretation können unterschiedliche Darstellungsformen ausgewählt werden.

Rohstapelung

Tiefengewandelte Sektion

Diese Messdaten wurden freundlicherweise vom Leibniz Institute for Applied Geosciences (GGA), Hannover zur Verfügung gestellt

Tonerkundung

Die Abbildung zeigt anhand einer vorläufigen seismischen Scherwellen-Zeitsektion die Lagerungsverhältnisse im Überflutungsgebiet eines norddeutschen Flusses. Zum Vergleich: Nach Unterlagen des Niedersächsischen Landesamtes liegt die Quartarbasis (Ton) in diesem Gebiet ca. 50 m unter Gelände. Die Angaben zu den Mächtigkeiten von Sand (10 m) und Kies (15 m) sind einem Bohraufschluss entnommen.

Vibroseismische Scherwellenmessungen: 30-fach-Stapelung im Flusstal

Hochauflösende vibroseismische Scherwellenmessungen: 60-fach-Stapelung eines anderen Messgebietes

Wie es begann: Nächtliche Messungen in städtischer Umgebung erfolgreich

Stapelungen eines mit SH-Wellen untersuchten Messprofils - Überdeckungsgrad (rot)

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Signalquelle - gut gesichert gegen Gefahren des Straßenverkehrs

Nächtliche Impressionen in der City

Der Vibrator als SH-Quelle

Quelle neben der Geofonauslage

Quelle gegen Störquelle Nr. 1

... und der lange Weg der Datenbearbeitung über Laufzeitdarstellung

Parallelprofile - Tiefendarstellung mit Bohrungen. Die interpretierten Horizonte sind markiert.

Scherwellenmessungen erfordern eine anders geartete seismische Bearbeitungsfolge unter Berücksichtigung eben ihrer Eigenheiten, gleichwohl unter Verwendung der aus der P-Wellenseismik bekannten Bearbeitungsverfahren.

.. bis zur Tiefendarstellung. Die Interpretation erfolgte mit Hilfe des VSP-Profils im Tiefenmaßstab. Kürzlich erfolgte Erkundungsbohrungen bestätigen den Schichtverlauf (links u.Mitte der Abbildungen).

Dieselben Profile im Tiefenmaßstab mit farbabgestuften Intervallgeschwindigkeiten

weitere Erläuterungen folgen ...